Die Trauerphasen

Der Schock der ersten Phase

 

Die Nachricht vom Verlust eines geliebten Menschen stellt für die mei­sten Menschen einen sehr großen Schock dar. Es kommt dabei häufig vor, dass sich die Betroffenen in den ersten Stunden derart gelähmt fühlen, dass sie zu keinerlei Emotionalität fähig sind und nicht einmal weinen können. Es ist ein Nicht-wahr-haben-Wollen und es Nicht-wahr-haben-Kön­nen, das den Menschen im Schock überfallt. Es ist in dieser Situation für den Betroffenen ganz wichtig, von ihm nahestehenden Menschen zu erfahren, dass er so, wie er sich jetzt empfindet, auch sein darf , so versteinert und empfindungslos.

 

Diese erste Phase der Trauer dauert auch im Extremfall nicht mehr als ein bis zwei Tage, normalerweise jedoch nur wenige Stunden. Hier lie­gen wichtige Aufgaben bei Angehörigen und engen Freunden.

 

Aber oft fällt es gerade Außenstehenden wie dem Pfarrer und dem Bestatter leichter, im ersten Erleben des Verlustes das Richtige zu tun und den ersten wichtigen Halt zu geben.

 

Die zweite Phase der Trauer

 

In den nächsten Tagen, der Zeit bis zur Bestattung, kommt auf den Trauernden manche Erledigung, vielleicht auch bereits manche Ent­scheidung zu. Hier können Freunde, Verwandte und das Bestattungs­haus dem Trauernden einiges abnehmen. Und doch: Nach dem Ende der Beerdigung erlebt der Trauernde oft geradezu ein Gefühlschaos, bei dem die unterschiedlichsten Gefühle wie Zorn, Wut und Angst, aber auch Schuldgefühle in unkontrollierter Weise zu Tage treten. Die Disziplin, die die Vorbereitung der Trauerfeier dem Trauernden auferlegt hatte, ist abgeschlossen und sein Schmerz dringt nach außen. Oft kommt es erst jetzt zu Tränen und Klagen. Angehörige und Freunde helfen dem Trauernden, indem sie seine Emotionen zulassen, ja ihn geradezu ermutigen, seine Trauer herauszulassen. Schmerz und Trau­er müssen immer ausgetragen werden, aber nicht die Bewältigung der Selbstvorwürfe, der Empfindung: ,,Ach Gott, hätte ich doch dies und das getan.“ Auch hier hilft es dem Trauernden, wenn ihm mit Geduld und ehrlicher Aufmerksamkeit zugehört wird und andere wirk­lich auch sein Leid mit ihm tragen. Menschlichkeit ist hier sicher die richtige Haltung; Übermenschlichkeit darf und kann weder vom Trau­ernden, noch von den Angehörigen und Freunden erwartet werden, die ihn in seiner Trauer begleiten. Erinnern wir uns an den Trost, den wir in der Kindheit selbst erfahren haben. Er bestand sicher nicht nur aus

 

Beschwichtigungen (,,Ist ja nicht so schlimm“) oder aus Ver­haltensregeln (,,Nimm‘s nicht so schwer“).

 

Die dritte Phase der Trauer

Oft folgt auf den ersten Ausbruch der Trauer eine Zeit, in der sich der Trauernde zurückzieht, sich wenig mitteilt, apathisch ist und sich innerlich leer fühlt. Es ist, als habe er den Tod am eigenen Leibe ein Stück weit erfahren. In dieser Phase kann es zu Selbstmordgedanken kommen oder zu Suchtverhalten (Alkohol, Tabletten). Oftmals stehen Krankheiten, die in den ersten Monaten nach dem Tod des Angehörigen auftreten, in einem engen Zusammenhang mit dem erlebten Ver­lust. Auch jetzt braucht der Trauernde die Nähe vertrauter Menschen auf dem langen Weg, die ihm die Lösung vom nun verlorenen Men­schen möglich macht. Angehörigen und Freunden fällt die Begleitung des Trauernden in dieser Phase oft besonders schwer. Selbstmordäußerungen etwa wird kaum jemand unwidersprochen lassen können. Aber auch hier hilft nicht der Einspruch, sondern die Bemühung, sensibel und nicht eindringend im Gespräch herauszuhören, was dem Trau­ernden so schwer auf der Seele liegt und ihm darin menschliche Hilfe anzubieten. Das Zuhören, das Dasein hilft bereits. Und gerade das ist für niemanden leicht, wenn die Erzählungen immer wieder um den Toten und das mit ihm Erlebte kreisen. Auch diese Phase der Trau­er ist ein notwendiger Schritt zu neuen Wegen ohne den Verstorbe­nen.

 

„Der Weg aus  der Trauer“

 

Es ist wichtig, dass der Trauernde seinen Bedürfnissen entsprechend alle Phasen der Trauer durchleben kann. Wenn die Verwandten den Verstorbenen vor seinem Tod bereits durch eine Zeit der Krankheit und des Sterbens begleitet haben, wird ihnen oft die Zeit der Trauer leich­ter sein. Man spricht von vorbereitendem Schmerz. Wenn der Tod        plötzlich eingetreten ist, gab es keinen vorbereitenden Schmerz. Schon von daher verläuft jede Trauer anders. Bei keiner ist es möglich, exak­te Angaben über ihre Dauer zu machen. Jede ist ein Schritt hin zur Eröffnung neuer Beziehungsmöglichkeiten und neuer Entfaltungsmög­lichkeiten. Erst am Ende der abschließenden vierten Phase des Trau­erprozesses, nachdem der Trauernde seine Trauer zugelassen, durchlebt und durchstanden hat, wird es dem Trauernden möglich sein, den schweren Verlust zu akzeptieren, den er erlitten hat, und er wird wünschen, sein Leben ohne Furcht selbst wieder in die Hand zu nehmen. Heute stehen nicht allen Menschen Freunde und

 

 

Angehörige zur Sei­te . Oft sind gerade ältere und durch den Tod des Partners alleinste­hende Frauen und Männer auf die Hilfe des Pfarrers oder des Bestat­ters angewiesen. Gerade der Bestatter ist in den Tagen bis zur Beiset­zung ein wichtiger Ansprechpartner, der den Hinterbliebenen mehr abnehmen kann als nur die notwendige Organisation und eine Reihe von Behördengängen. Als Gesprächspartner auf den ersten Schritten durch die Trauer kann er Hilfe leisten und auf Beratungsstellen hinweisen, an die man sich wenden sollte, wenn man spürt, dass die Trauer die Kräfte übersteigt. Wir Menschen haben ein Recht auf Begleitung in unserer Trauer. Auf dem Weg durch die Trauer würde das sehr helfen.